Literature (USA): Richard Powers, The Overstory/Wurzeln des Lebens

Texte über Interiors, Business und Ökologie. Profil und Referenzen
Texts about Interiors, business and ecology. Profile and references

‘Bigger than my room in college’, Olivia says. ‘And nicer.’

Balanced on another branch just beneath, reachable by rope lander, is a smaller piece of plywood. A rain barrel, collecting jar, and and sealable bucket complete the bathroom. Six feet above them on a higher spur, another platform serves as pantry, kitchen, and den. It’s filled with water, food, tarps, and supplies. A hammock stretches out between two limbs cradles a substantial library, left here by previous sitters.

Richard Powers, The Overstory, London 2018, p. 328

Die szenische Schilderung bezieht sich auf die Wohnung in einem besetzten Mammutbaum.

Ein grandioser Roman über viele schräge, besondere, traurige, stürmische, starke, schwache, hoffnungsvolle, wütende Menschen, über die Geschichte der Bäume und Baumsorten in den USA, über Wälder, über deren Bedrohung und über den Kampf dieser Menschen um deren Rettung.

Manchmal etwas kitschig (finden andere) , manchmal langatmig (finde ich, aber das finde ich fast bei jedem Buch), am Schluss für meine Begriffe  zu verworren, aber: lesen, lesen, lesen! Allein Teil I, Roots, hat mich schon so sehr beglückt wie in den letzten Jahren wenige Bücher zuvor.

Mehr über das Buch auf Deutsch hier , Rezensionen dazu hier und ein englischsprachiges Interview mit Richard Powers im Guardian hier.

Literatur (USA): George Saunders, Fuchs 8

Texte über Interiors, Business und Lifestyle. Profil und Referenzen
Texts about Interiors, business and lifestyle. Profile and references

Fuchs 8 von George Saunders

“Ich wüsste gerne, was mit oich los is. Wi kann di selbe Sorte Tir, die die wunder schöne Mool geschaffen hat, es schaffen das Fuks 7 so aussa wi er aussa, als ich in das lezze Mal geseen hab?”

München 2019, Luchterhand, 4. Auflage

Der Fuchs ist aktuell ein beliebtes Motiv, als Schmuckstück, Kissendekor, auf Wandteppichen … Gabriela Kaiser von der gleichnamigen Trendagentur zeigt das auch in ihrem neuen Trend Book 2021/22.

Zeitgleich feiert der amerikanische Autor George Saunders mit seinem Buch “Fuchs 8” Erfolge und erfreut die Kritik. Der “Fuks” hat seine ganz eigene Rechtschreibung (die Frank Heibert  ins Deutsche gebracht hat) und hat eine wichtige Botschaft an die Menschen. Lesen.

Übrigens: Mit der Mool ist eine amerikanische Mall gemeint, die der Fuks einmal begeistert besucht hat.

Fiction (USA/Los Angeles): Paul Beatty, der Verräter/The Sellout

Ich schreibe für Sie über Design, Ökonomie und Literatur. Kontakt und Profil hier.
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Orte wie Sedona, Arizona, haben einen Energie-Vortex, einen heiligen, mystischen Ort, der Besuchern ein Gefühl der Verjüngung und der spirituellen Erweckung bescherte, und L.A. hat offenbar diverse Rassismus-Vortexe. Orte, an denen man von tiefer Melancholie und einem Gefühl ethnischer Wertlosigkeit erfüllt wird. Orte wie die Standspur des Foothill Freeway, auf der nicht nur das Leben Rodney Kings in eine Abwärtsspirale geriet, sondern in gewisser Weise ganz Amerika mit seiner arroganten Auffassung von Fairplay.“

München: Luchterhand 2015, S. 157 f

Ich ahne, dass dieses Buch grandios ist, aber um ihm gerecht zu werden, müsste ich mich professionell damit befassen. Und so geht es mir wie einer Bloggerin (deren Seite ich leider gerade nicht mehr finde). Sie schreibt, dass sie beim Lesen des Buchs das Gefühl hatte, eine Party finde statt, aber sie müsse leider draußen bleiben.

Nicht umsonst spricht schreibt Dennis Pohl in seiner „Spiegel“-Rezension zu „Der Verräter“ von einer Überforderung. Der Roman – für den der Amerikaner Paul Beatty mit dem Man Booker Prize 2016 ausgezeichnet wurde – ist tatsächlich etwas für Menschen mit sehr viel Auffassungsgabe und noch mehr amerikanistischem Detailwissen in jeder erdenklichen Disziplin.

Der Verlagstext zum Buch:

Dickens, ein Vorort von Los Angeles, ist der Schandfleck der amerikanischen Westküste: verarmt, verroht, verloren. Zugleich ist es der ganze Stolz seiner schwarzen Einwohner, eine Bastion gegen die weiße Vorherrschaft. Hier zieht der Erzähler von ‚Der Verräter‘ friedlich Wassermelonen und Marihuana. Doch als sein bürgerrechtsbewegter Vater durch Polizeigewalt stirbt und die Gentrifizierung den gesamten Vorort auszuradieren droht, wird er unversehens zum Anführer einer neuen Bewegung: Mit seinem Kompagnon Hominy, alternder Leinwandheld aus “Die kleinen Strolche”, führt er Sklaverei und Rassentrennung wieder ein … Eine bissige, kühne Satire über eine Gesellschaft, die ihre ethnische Spaltung noch lange nicht hinter sich gelassen hat.“

Mir bleibt es also, das Buch zu empfehlen an Leserinnen, die sich in eindimensionalen Büchern langweilen und auf eine größere Herausforderung aus sind. Am besten gut ausgestattet mit der Zeit und Muße, die vielen popkulturellen Anspielungen nachzugoogeln und grandiose Sätze nachwirken zu lassen (mich hat fasziniert, wie spielend Paul Beatty mythische Räume erschafft, s. o.)

Und noch ein Rat an diejenigen, die es nicht mögen, wenn ein Buch in groteske Szenen abgleitet: Abwege in Kauf nehmen für Sätze wie oben.

This is a great book, but difficult to read. I was very impressed how Paul Beatty creates mythical space in the middle of ugliness, pop and racism. What a fantastic mind!

Danke an das Presseteam von Luchterhand für das Rezensionexemplar!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fiction (USA/New York City): Lisa Halliday, Asymmetry/Asymmetrie

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„Lulled by years of relative peace and prosperity we settle into micromanaging our lives with our fancy technologies and custom interest rates and eleven different kinds of milk, and this leads to a certain inwardness, an unchecked narrowing of perspective, the vague expectation that even if we don’t earn them and nurture them the truly essential amenities will endure forever as they are. …

Our military might is unmatched and in any case the madness is at least an ocean away. And then all of a sudden we look up from ordering paper towels online to find ourselves delivered right into the madness. And we wonder: How did this happen? What was I doing when it was in the works? Is it too late to think about it now? Anway, what good will it do, the willful and belated broadening of my imagination?”

London, Granta, 2018, p. 260f

Allein für diese Passage schätze ich das dreigeteilte Buch “Asymmetrie”. Teil 1 handelt von der Affäre einer jungen Verlagsassistentin mit einem alten berühmten Schriftsteller, endlich mal von einer Frau geschrieben. (Völlig literaturunwissenschaftliche aber menschlich sehr interessante Anmerkung: Lisa Halliday hatte eine Affaire mit Philip Roth. Ich versuchte dann auch, seinen Roman “Das sterbende Tier” zu lesen, der ungefähr zeitgleich zu der Affäre geschrieben worden sein muss; nach fünfzig Seiten stieg ich trotz aller guten Vorsätze aus. Er dreht sich nur um den nicht sehr spannenden Ich-Erzähler und seine Passion.) In Teil 2 geht es um einen amerikanisch-irakischen Reisenden, aufgehalten in der Niemandswelt eines Flughafens, erzählt aus der Ich-Perspektive. Teil 3 ist das Interview einer Londoner Moderatorin mit dem Schriftsteller aus Teil 1. Eine ziemlich gewagte Konstruktion, der Roman, zumal in Teil 2 eine – in den USA ja sehr wütend diskutierte – kulturelle Aneignung praktiziert wird. Hochachtung dafür, dass Lisa Halliday Asymmetrie so unkonventionell angeht.

The passage above (which is longer and smarter in the book) would suffice for me to pay tribute to “Asymmetry”. But also the other subjects (old man loving a young woman, written by a woman; migration and the appropriation of culture; some wisdom by the old) make this book very interesting. Praise for Lisa Halliday to face asymmetries so unconventionally.

Fiction (DEU): Lucy Fricke, Takeshis Haut

“Frieda lag auf der brettharten Matratze – ein unseliger Kompromiss zwischen Ost und West, sah aus wie ein Bett, fühlte sich aber an wie eine Matte auf dem Boden …”

Sie trat ins Badezimmer. In der Dusche mehrere Knöpfe, Pfeile nach oben und unten, rote und blaue Tasten, Zeichen, die sie nicht verstand, doch immerhin etwas, das einem Wasserhahn ähnlich war und auch so funktionierte.

Hamburg, Rowohlt 2014, S. 45

U1_978-3-498-02016-3.inddInhalt: Die Erlebnisse einer Geräuschmacherin, die in Japan gespenstische Töne aufnimmt, sich verliebt und im Land ist, als das Erdbeben um Fukushima passiert.

Die Berliner Autorin Lucy Fricke bringt das Lebensgefühl der heute vierzig- bis fünfzigjährigen Kreativen auf den Punkt – mit Sätzen und Reflexionen, die ausdrücken, wofür man bisher nur ein vages Gefühl hatte. Wie sie den Schrecken eines Erdbebens in unerklärliche Geräusche transformiert finde ich meisterhaft. Inspirierend und weise, habe ich sehr gern gelesen!

Summary: The experiences of a soundmaker who records ghostly sounds in Japan, falls in love, and travels the country when the earthquake around Fukushima happens.

Sometimes, the profound (and very true) commentaries of the Berlin author Lucy Fricke make the book quite slow. But she expresses the thoughts and feelings of creative fourty- and fiftysomethings very well. It’s great how she links the horror of Fukushima with the spookiy sounds the soundmaker records.

 Unfortunately, the novel wasn’t translated into English yet.

German and Angloamerican literature – book tips by Karin Henjes (Germany) – profile & contact here.

Fiction (USA): Kent Haruf, Our Souls at Night/Unsere Seelen bei Nacht

German and Angloamerican book recommendations by Karin Henjes (Germany): profile & contact here.

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“Let’s go downtown in the middle of broad daylight and have lunch at the Holt Café and take our time and enjoy ourselves … I might even put on something bright and flashy.
That’s the ticket, Louis said. I might wear a read shirt.” (Haruf, London 2016, 58 f)

Die Protagonistin ist einfach köstlich, und der knappe Erzählstil nach meiner Façon.

Eine Witwe und ein Witwer in einer kleinen mittelamerikanischen Stadt beginnen damit, die Nächte zusammen bei ihr zuhause zu verbringen. Ein kurzer großartiger Roman von Kent Haruf (+ 2014) über Mut und die Durchsetzungskraft der Seele.

A widow and a widower in a small Midamerican town start to spend the nights at her home. a short great novel by Kent Haruf (+ 2014) about courage and the power of the soul to get through.

Short Guardian Review

 

 

Buchtipp (Frankreich): Karine Tuil, Die Zeit der Ruhelosen

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„Die Hölle von Afghanistan. Du bist überwältigt von der Natur, ihrer Vielfalt, den versteckten Höhlen, der Schroffheit, alldem, womit dein Feind bestens zurechtkommt und was du dir erst vertraut machen musst, denn er kennt die Gegend besser, als du sie je kennenlernen wirst ­– das weite, von Schluchten durchzogene, hügelige Terrain mit den kreideweißen Gipfeln des Hindukusch im Hintergrund, die sternenklaren Nächte, diese Postkartenlandschaft.“

Berlin 2017, Seite 17

„Die Zeit der Ruhelosen“ von der französischen Autorin Karine Tuil ist ein prima Thriller. Ich habe das Buch fasziniert und atemlos gelesen, mit Erkenntnisgewinn. Vor allen die Szenen, in denen die drei männlichen Hauptpersonen in der unbegreiflichen Realtiät der Gewalt, des Krieges, der Gefangenenschaft und der Folter existieren. Karine Tuil schreibt hart, schnell, gnadenlos, journalitisch. Dass sich ein Rezensent bei der Lektüre gelangweilt hat (siehe Kritiken im Perlentaucher), verstehe ich nicht.

Lesetipp (Simbabwe): Petina Gappah, Die Farben des Nachtfalters/The Book of Memory

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Foto: Yves Picq, Wiki Commons – Palisander in Harare, Simbabwe

„Noch während ich diesen nachsichtigen Stamm mit Hohn und Spott überschütte, frage ich mich, wie es wohl wäre, wenn meine eigene kleine Dorfgemeinde, alle Leute, die ich je gekannt habe, um mich herumstünden und mir Vergebung schenkten.

Zürich, Arche, 2016, S. 251 f

44931358zKann die Geschichte einer Frau, die (in diesem Fall in Simbabwe) im Gefängnis sitzt und zum Tode verurteilt ist, bereichern, ja mitunter fröhlich machen? Kann sie, wenn sie von Petina Gappah geschrieben wurde.

Wunderbar für Herz und Verstand, locker zu lesen, wenn man mag, aber auch mit jeder Menge Stoff zum Nach- und Weiterdenken – über die Art und Weise, wie Erinnerung funktioniert, über Macht in Institutionen, über die Konstruktion von Wirklichkeit, über das Universelle in  Mythologien, über das Ausgeliefert-Sein von Kindern, über Schuld, über Vergebung und alles andere, was ihr selbst hineinlesen könnt und wollt.

Leseprobe

 

 

 

 

 

 

Arundhati Roi (Indien), Ministry of Utmost Happiness (Ministerium des äußersten Glücks)

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Arundhati Roi, das Foto stammt von hier.

“And yet, the burden … had lightened somewhat. Not because she loved [and missed] him any less, but because the battered angels in the graveyard that kept watch over their battered charges held open the doors between worlds (illegally, just a crack), so that the souls of the present and the departed could mingle, like guests at the same party.”

Roi, Arundhati, The Ministry of utmost Happiness, Hamish Hamilton, UK 2017, page 198

u1_978-3-10-002534-0.63362368Auf diesen zweiten Roman der preisgekrönten indischen Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin Arundhati Roi (Autorin von Der Gott der kleinen Dinge) habe ich (zusammen mit vielen anderen) lang gewartet.  The Ministry of utmost Happiness (hier die Handlung) ist nicht immer einfach zu lesen, aber sehr poetisch, bereichernd und transzendent. Bitte nicht wundern, wenn in Kapitel 3 ein ganz neuer, scheinbar unzusammenhängender Handlungsstrang aufgemacht wird, alles wird am Ende zusammengeführt.

Lesetipp (USA/Nigeria): Nnedi Okorafor, Lagoon/Lagune

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Das Cover dieser deutschen Ausgabe wurde von dem Illustrator Greg Ruth gestaltet.

Let me tell you something – that woman, she was from outside this earth, yes. But that thing, that thing that was haunting the road, it was from here and had probably been here since these roads were built, maybe even before then.

Cross Cult, Ludwigsburg, 2016

Ich bin auf etwas sehr Spannendes gestoßen, nämlich den sogenannten Afrofuturismus, eine Art Sci-Fi-Fantasy von Autorinnen und Autoren mit afrikanischen Ahnen. Eine Pionierin dieser Literarturrichtung war Octavia Butler. Ganz neu und sehr kraftvoll führt die Autorin Nnedi Okorafor das Genre mit dem Roman Lagune weiter.

Die Geschichte: Außerirdische stranden in der Bucht von Nigerias Hauptstadt Lagos. Eine Meeresbiologin, ein Rapper und ein Soldat werden zu Botschaftern dieser Wesen, die sich (und alles andere) in alles verwandeln können. Einige Krieger, die sie angreifen, werden zum Beispiel molekular zu Bäumen gemacht.

Echt spannend und sehr anders! Was mich besonders fasziniert hat, war die Art und Weise, wie Nnedi Okorafor die Wissenschaft und alte nigerianische Mythen in die Geschichte hineinwebt und dem Text damit literarische Tiefe gibt. Auch für Nicht-Science-Fiction-Fans!

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